Apple Watch Series 6 im Test: Viva La Evolution

Apple Watch Series 6 im Test: Viva La Evolution

Blutsauerstoffsensor, helleres Always-on-Display und der neue S6-Chip: Apple hat im September 2020 die Apple Watch Series 6 vorgestellt. Für wen sich der Kauf lohnt, erfahrt Ihr in unserem Review.

Jährlich stellen sich Tech-Journalisten und Nutzer die Frage: Ist das Neue an der Apple Watch eher evolutionär oder gar revolutionär? Die Übergänge sind manchmal fließend, die Meinungen klaffen weit auseinander. Die Apple Watch Series 6 aber ist, gemessen an ihrem Vorgänger, eindeutig ein evolutionärer Schritt. Aber evolutionär ist nicht gleichbedeutend mit langweilig. Warum, dazu mehr in diesem Review.

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Hier unser Test-Video zur Apple Watch Series 6.

Fünf Jahre Apple Watch

Zunächst aber ein Blick von oben auf die Apple Watch und ihre nunmehr sechs Generationen, wenn man die neue Seitenlinie mit der Apple Watch SE (hier unser Test) nicht mitzählt. Vor sechs Jahren wurde die Apple Watch vorgestellt, seit fünf Jahren ist sie im Verkauf.

Manche sprachen der Apple Watch von Anfang an ab, revolutionär zu sein. Das erste große Produkt der Ära Tim Cook kämpfte gegen viele Vorurteile, mühte sich zunächst vergeblich daran, Lifestyle- und Modejournalisten zu begeistern, um am Ende doch als schickes Accessoire in den Alltag vieler Menschen Einzug zu halten.

Doch für eine Revolution braucht es mehr als einen Modegegenstand. Die Apple Watch hat zweifellos nicht den Impact, den das Smartphone knapp zehn Jahre vorher hatte. Sie hat aber den Begriff der so genannten Wearables, der tragbaren Geräte, maßgeblich geprägt. Sie steht für Personalisierung von Technik in einem Maße, wie wir es vorher nicht kannten: Zum einen durch die Nähe am menschlichen Körper, zum anderen, weil sie mit den vielen Armbändern ein hohes Maß an optischer Anpassungsfähigkeit bietet. Wer hat vorher Kleincomputer dermaßen geschmückt? Smartphone-Hüllen sind nichts dagegen.

Die Apple Watch steht für stärkere Vernetzung: Benachrichtigungen vom Smartphone rücken uns damit buchstäblich stärker zu Leibe. Während das iPhone schon mal in der Hosentasche verbleibt, ist der Blick schnell auf den Arm gerichtet. Aus diesem Grunde filtern viele auch stärker, wer sie über die Watch erreichen kann, als das beim Smartphone der Fall ist. 

Dieses Persönlich-werden setzt sich fort mit den Fitnessfunktionen, die uns einen Spiegel vorhalten über unsere Bewegungssituation, uns spielerisch und in Wettbewerben dazu ermuntern, fitter zu werden und überhaupt ein Bewusstsein geschaffen haben für Werte wie das stündliche Aufstehen für eine Minute.

Und viele Menschen fühlen sich sicherer dank der Apple Watch. Die Uhr erkennt Stürze und ruft Rettungsdienste, wenn der Nutzer bewusstlos wird. Sie warnt uns, wenn unser Herz verrückt spielt, sie erlaubt ein EKG und das Messen von Blutsauerstoff, was die meisten Menschen nur in akuten Situationen beim Arzt oder im Krankenhaus machen würden. Kurzum: Sie passt auf uns auf.

Die Apple Watch hat also sehr wohl etwas Revolutionäres an sich und den Alltag der Menschen ändert man nicht jedes Jahr aufs Neue. Das ist nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch des Wollens. Menschen brauchen eine gewisse Sicherheit, einen Halt, Bleibendes. Eine größere Veränderung muss bedeutungsvoll sein.

Schneller, heller, potenzialreicher

Die Apple Watch Series 6 knüpft an Vorhandenes an und führt es weiter. Sie ist schneller, heller und potenzialreicher als ihre Vorgängerin. Allerdings auch nicht in einem Maße, dass man den Kauf der Series 5 oder 4 rückblickend bereuen muss.

S6: Rasanter und vernetzter

Im Herzen der Uhr schlägt der S6, Apples eigener Chip für die Uhr, der noch einmal 20 Prozent schneller sein soll. Spürbar ist das beim Starten von Apps. Die öffnen sich jetzt noch eine Idee rascher. Bedenkt man, wo wir herkommen, nämlich von der Series 0, wo oft schon der Standby-Modus einsetzte, bevor die App lief, sind das Verbesserungen auf einem ohnehin hohen Niveau. Auch der S5 gab schon keinen Anlass zur Klage mehr, der S4 ebenso nicht. Aber hier geht es auch um Potenziale für die Zukunft. Spürbar wird das immer bei Updates, wenn neue Funktionen die eigene Uhr plötzlich nicht mehr unterstützen – dann reicht der Prozessor nicht mehr aus und es sind diejenigen im Vorteil, die einen aktuelleren haben.

Spürbarer dürfte für viele Nutzer dagegen die Unterstützung von 5 GHz Wi-Fi sein. Eigentlich ist das bei vielen Geräten heute eine Selbstverständlichkeit. Die Apple Watch bot aber bis zur Series 5 nur das am meisten verbreitete 2,4 GHz-Band. 5 GHz bietet mehr Bandbreite und es ist gerade in Umgebungen mit vielen WLAN-Netzwerken eine gute Ausweichmöglichkeit. Dafür ist die Reichweite nicht so hoch, da die Durchdringung von Wänden geringer ist.

Apropos Potenzial: Apple baut auch erstmals den U1-Chip ein, den wir schon aus dem iPhone kennen. Momentan nutzt Apple das Ultrawideband  nur für den elektronischen Autoschlüssel CarKey. Es wird gemutmaßt, dass irgendwann die AirTags kommen könnten, kleine Geräte, mit denen sich Alltagsgegenstände wie Schlüssel lokalisieren lassen. Die Geschichte des U1 ist sicher noch nicht zuende erzählt.

Blick auf die Rückseite der Series 6: Es sind neue Leuchtdioden hinzugekommen, die für die Messung des Blutsauerstoff-Wertes benötigt werden.
Blick auf die Rückseite der Series 6: Es sind neue Leuchtdioden hinzugekommen, die für die Messung des Blutsauerstoff-Wertes benötigt werden.

Der neue Blutsauerstoffsensor

Ähnliches gilt für den neuen Blutsauerstoffsensor. Apple hat an der Rückseite der Uhr weitere Leuchtdioden verbaut, die nun rot leuchten. Sie ermöglichen es der Uhr, durch die Haut in die Blutbahnen zu schauen und die Blutsauerstoffkonzentration zu ermitteln. Ähnlich funktionieren medizinische Geräte, die man auf den Finger klippt – einige kennen das aus Krankenhäusern.

Der Blutsauerstoff gesellt sich zu EKG und Pulsfrequenzmesser, ist allerdings im Gegensatz zu EKG explizit kein medizinisches Gerät. Folglich konnte sich Apple auch die mühsame Zulassung bei den Behörden ersparen. Die Frage ist natürlich, wie akkurat der Sensor wirklich misst. Offen ist aber auch noch, was die Werte dem Nutzer eigentlich genau sagen sollen. Wer zwischen 95 und 100 Prozent liegt, kann buchstäblich aufatmen – so die Faustformel. Doch mit dem Blutsauerstoff ließe sich noch viel mehr anfangen, sagen andere: Bei Krankheiten wie Asthma, Schlafapnoe oder der Höhenkrankheit spielt der Wert eine Rolle. Apple forscht zusammen mit verschiedenen Universitäten in den USA daran. 

Der Blutsauerstoffwert wird wahlweise automatisch ermittelt, es gibt aber auch eine eigene App, wo die 15 Sekunden lange Messung ausgelöst werden kann. Die Uhr wird mit dem Display nach oben gehalten und der Nutzer sollte dabei möglichst sitzen, instruiert einen die Uhr. Ansonsten ist die Messung vergleichbar mit EKG und Pulsmessung.

Immer aktiver Höhenmesser

Den bereits vorhandenen Höhenmessern hat Apple dahingehend verbessert, dass er nun immer aktiv ist. Mit einer eigenen Komplikation kann er in das Zifferblatt integriert werden. In unserem Test veränderte sich der Wert tatsächlich akkurat mit einer Auf- und Abwärtsbewegung. Ob der Messwert immer ganz genau stimmt, ist dagegen fraglich. Einige Male hatten wir an den gleichen Orten unterschiedliche Werte. Die Abweichungen lagen im Bereich weniger Meter. Das ist egal, wenn man schauen möchte, wie hoch der Berg ist, aber in der norddeutschen Tiefebene macht die Genauigkeit schon einen Unterschied aus.

Laut Apple werden der Barometer-Sensor, das GPS-Signal und der Wi-Fi-Empfang von den Algorithmen herangezogen, um die Höhe zu ermitteln.

Links die neue Series 6, rechts die Series 5: Im Tageslicht ist im Stand-by zu erkennen, dass die Series 6 heller leuchtet.
Links die neue Series 6, rechts die Series 5: Im Tageslicht ist im Stand-by zu erkennen, dass die Series 6 heller leuchtet.

Helleres Always-on-Display

Zu den erfreulichen Verbesserungen der Series 6 zählt das hellere Always-On-Display. Im aktiven Zustand ist es bei 1000 Nits geblieben, die weiterhin als ausreichend angesehen werden können. Im neu eingeführten Standby-Modus, in dem das Display die Helligkeit herunterfährt und die Bildaktualisierungsrate deutlich senkt, um ständig die Uhrzeit anzeigen zu können, ohne den Akku zu schnell zu verbrauchen, wird es jetzt aber heller. Das geschieht aber auch nur bei Bedarf. Im Indoor-Test haben wir keinen Unterschied zwischen Series 5 und 6 ausmachen können, draußen im Tageslicht allerdings dagegen schon. Das Display leuchtet im Always-On nun mit bis zu 500 Nits statt bislang 200. Über diese Funktion wird man sich spätestens im nächsten Sommer freuen.

Im Kleingedruckten fanden wir außerdem eine weitere praktische Neuerung: Die Apple Watch Series 6 erlaubt neu auch Zugriff auf Benachrichtigungen und Kontrollcenter, ohne dafür den Arm heben zu müssen und den aktiven Zustand zu aktivieren.

Akku hält länger durch

Beim Akku verspricht Apple längere Laufzeiten bei bestimmten Anwendungen wie Workouts oder Musikhören. Die Gesamtlaufzeit hat sich hingegen nicht verlängert. Einen langen Tag hält die Uhr locker durch, dann muss sie aber ans Ladekabel.

Dort geht es jetzt aber rascher als vorher: Zwischen 33 und 40 Prozent lädt die Uhr jetzt schneller. Dies ist vor allem für Nutzer von Bedeutung, die das in watchOS 7 eingeführte Schlaftracking verwenden und die Apple Watch rund um die Uhr tragen. Eine volle Ladung ist in 1,5 Stunden möglich.

Wir haben die Series 6 in der neuen Aluminium Blau-Variante getestet (44mm, Cellular & GPS)
Wir haben die Series 6 in der neuen Aluminium Blau-Variante getestet (44mm, Cellular & GPS)

Neue Farben

Sichtbarste Neuerung beim ansonsten gleich gebliebenen Aussehen sind die neuen Farben. Die Aluminium-Variante hat den Farbton Blau spendiert bekommen, der recht dunkel und elegant ausfällt. Product Red sticht dagegen deutlicher ins Auge, aber man sollte bedenken, ob auch wirklich jedes Armband, das man besitzt, dazu passt. Auch die Edelstahl-Farben wurden überarbeitet. Graphit hat Space Grau ersetzt, der neue Gold-Farbton geht eher ins Gelbliche. Außerdem gibt es weiterhin Titan-Varianten der Apple Watch. Das Keramik-Gehäuse fand keine Fortsetzung.

Varianten

Neben dem Material (Alu, Edelstahl, Titan) müssen sich Käufer zwischen zwei Größen entscheiden: Die 40mm-Variante (ab 418 Euro) sieht vor allem am schmaleren Arm sehr schick aus, die 44mm-Variante (ab 447 Euro) ist dagegen ein Statement. 

Außerdem gibt es bei jedem Modell die 100 Euro teureren Cellular-Varianten mit LTE-Mobilfunk. Diese machen einen unterwegs unabhängig vom iPhone. Ganz ohne das iPhone geht es aber weiterhin nicht.

watchOS 7 

Ein eigenes Kapitel verdient das Thema Software. Die Neuerungen in watchOS 7 haben wir in einem Video zusammengefasst.

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Ein Überblick über die neuen Funktionen in watchOS 7
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Und das sind die neuen Zifferblätter in watchOS 7

Neu ist auch die Familienkonfiguration, mit der Apple Watches für Familienmitglieder eingerichtet werden können, ohne dass diese ein eigenes iPhone besitzen müssen. Apple geht damit einen weiteren – kleinen – Schritt in Richtung Autarkie der Apple Watch.

Fazit

Die Apple Watch Series 6 ist die dritte Generation des Series 4-Designs, folglich also keine Uhr, die alles Vorherige in den Schatten stellt. Aber Apple baut seinen Vorsprung weiter aus. Die Fähigkeiten werden immer zahlreicher und wer jetzt ganz neu einsteigt, macht nichts falsch, denn nach heutigem Ermessen lässt die Apple Watch nichts Entscheidendes vermissen. Es ist überaus bemerkenswert, welche Entwicklung die Apple Watch binnen von nurfünf Jahren genommen hat. Vor allem die Chipingenieure haben Höchstleistungen abgeliefert.

Für Käufer, die von früheren Modellen kommen, ist die Entscheidung abgestufter zu sehen:

Besitzer der Series 3 oder früherer Modelle machen einen gewaltigen Sprung. Sie bekommen zwei zusätzliche Gesundheitssensoren, das jetzt noch weiter verbesserte Always-On-Display und das größere Display mit dem moderneren Design. Der Gegenwert für den Einkaufspreis ist für diese Nutzer immens. Wer bis hierher gewartet hat, fährt jetzt bei einem Kauf die Ernte ein.

Anders bei den späteren Modellen: Series 4-Besitzer, die Always On haben möchten, aber bei der Series 5 gezögert haben, werden jetzt mit der verbesserten Variante belohnt. Der Zwei-Jahres-Schritt sorgt für spürbare Verbesserungen, diese hängen aber von der individuellen Wertschätzung für die jeweilige Funktion ab.

Wer eine Series 5 besitzt und nicht eines der Features oder eine neue Farbe unbedingt haben möchte, kann die Uhr getrost weiter verwenden. Es gibt keinen Grund, sich wegen des Kaufes der Series 5 zu grämen.

Einmal mehr zeigt sich: Ein evolutionärer Schritt muss kein schlechter sein. Viva La Evolution.

Geschrieben von
Malte
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1 Kommentar
  • […] Wie bei den neuen Apple Watches wird zudem bei der Verpackung auch auf Recycling in Form wiederverwerteter Holzfasern oder zumindest nachhaltig gewonnener Rohstoffe gesetzt. Der Plastikanteil wurde reduziert. Schadstoffe bleiben ganz draußen. Und Apple betont eine hohe Energieffizienz, was auch mit dem ehrgeizigen Ziel zu tun hat, bis zum Jahr 2030 – also binnen von zehn Jahren – komplett klimaneutral zu sein. […]

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