So brisant ist das App-Store-Buch für Apple

So brisant ist das App-Store-Buch für Apple

Tom Sadowski war zehn Jahre lang für Apple in Europa tätig. Mehrere Jahre davon war nach eigener Aussage treibende Kraft, wenn es um den App Store ging. Jetzt hat er ein Buch veröffentlicht, das Apple angeblich untersagen lassen will. Wie spannend ist es wirklich?

Eine Rezension von Malte Kirchner

Der Einstieg besagt eigentlich schon alles: Tom Sadowski beschreibt in seinem Buch „App Store Confidential“, wie es für ihn war, Apple ein Gesicht zu geben. Ausführlich schildert er dies am Beispiel eines Termins im Springer-Verlag in Berlin. Und das Erlebnis scheint dem Autor bis heute sichtlich Freude zu bereiten. So wie Tom Sadowski offenbar sowieso gerne über sich selbst schreibt. Wie er zu Apple kam und welche Erfolge er dort hatte. Wie erfolgreich er vorher war. Wie bahnbrechend seine Musik war, was leider vom Plattenverlag nicht so gesehen wurde. Wie er bahnbrechende Erkenntnisse fürs Leben gewonnen hat, an die er die Allgemeinheit jetzt teilhaben lassen möchte. Und jetzt schreibt er eben dieses Buch, damit anderen diese Ochsentour, die offenbar gar keine war, erspart bleibt. Wir müssen ihm zu Dankbarbeit verpflichtet sein.

Aber Apple ein Gesicht geben – und dies öffentlich zelebrieren: Das ist doch nach den sonstigen Gepflogenheiten Apples ein Tabubruch. Tatsächlich ist der Weltkonzern sehr wählerisch, wer ihm ein Gesicht geben darf und vor allem wie. Klar, Tim Cook und die anderen Chefs dürfen das. Wobei wohl auch bei ihren Auftritten nichts dem Zufall überlassen bleibt. Perfekt orchestriert von Apple PR und Marketing. Das Geheimnisvolle ist bekanntlich ein Teil des Charmes dieser Firma. Wir lieben Überraschungen bei den Keynotes. Und auch wenn dies immer seltener gelingt, fängt das Geheimnisvolle doch schon im Kleinen an. Zwar wirkt die Firma unter Tim Cook offener als zu Zeiten von Steve Jobs. Aber auch das ist eher Teil einer perfekt inszenierten Außendarstellung. In Sachen Marketing macht Apple niemand so schnell etwas vor.

Sorgt international für Schlagzeilen: Das Buch „App Store Confidential“

Was für eine Aufregung

Nun betritt also Tom Sadowski die Bühne, 46 Jahre alt, Wahl-Münchener, der in Bremen geboren wurde, Familienvater und Ehemann. Er tritt aus dem Schatten des Weltkonzerns und schreibt dieses Buch, das Insights aus Apple enthalten soll. Einen Blick „hinter die Kulissen“ des App Stores. Auch das ist Marketing, wenngleich eher eines, das verbrannte Erde hinterlässt. Denn Apple soll – kaum überraschend -wenig Gefallen daran gefunden haben, dass Sadowski dieses Buch geschrieben hat. Das erzählte den Medien allerdings nicht Apple selbst, sondern laut Handelsblatt-Bericht Sadowski. Von einer Unterlassungserklärung an Verlag und Autor ist die Rede. Sadowski, der Kämpfer, hat sie natürlich nicht unterschrieben. Das riecht nach großen Geheimnissen. Oder ist das nur ein Marketing-Gag, der vor allem einem nützt: Sadowski?

Wovon handelt das Buch?

Das Buch Sadowskis beginnt vielversprechend: Das erste Kapitel handelt davon, wie er als iTunes-Marketing-Manager mit der Bild-Zeitung einen Deal machen wollte, um iTunes zu bewerben. Apple stoppte das in letzter Sekunde, weil es mehrere Teams im Konzern für das Image doch nicht passend fanden, und Sadowski, der alles vorbereitet hatte, stand blamiert da. Ist das der Grund gewesen, zehn Jahre später das Buch zu schreiben? Das erfahren wir nicht.

Was wir aber erfahren, ist, was für ein taffes Kerlchen Tom Sadowski ist. Über mehrere Kapitel hinweg lesen wir seine ganze Lebensgeschichte: Das Studium, die Musikepisode als Rapper, seine Zeit bei der Unternehmensberatung und wie Apple ihn zu sich holte. Gespickt ist das Ganze mit etlichen Zitaten von Steve Jobs und aus Musikstücken Sadowskis. Als wenn es eine magische Verbindung dazwischen gibt. Man könnte denken, da treten zwei Genies in einen Dialog. Wir lesen also eine Autobiografie eines Autors, der erklärtermaßen ziemlich überzeugt von sich selbst ist. Schließlich lautet einer seiner Tipps, hartnäckig und wortreich sich selbst zu verkaufen.

Und da ist der Teil des Buches, der davon handelt, App-Entwickler und Visionäre voranzubringen. Denn auch das ist eines von Toms Learnings als „Wofür“-Mensch, also jener Menschen, die nur Höchstleistungen erbringen, wenn sie wissen, wofür es ist: Bringe die Menschen voran, erschaffe etwas Gutes. Leider sind diese Learnings eher Allgemeinplätze. Dass man seine Idee leben sollte, dass man bei der Kontaktaufnahme nicht nerven und dass man auch willens sein sollte, Projekte ganz von vorne zu beginnen, wenn sie nichts taugen, wird vermutlich beileibe nicht von jedem beherzigt. Aber bahnbrechende Erkenntnisse sind das alles nicht. Wer eins und eins zusammenzuzählen weiß, könnte auch selbst darauf kommen.

So brisant ist es wirklich

Das vermeintlich Brisante aus Sicht Apples spielt im Buch eher eine Nebenrolle. Wir erfahren einiges darüber, wie Apple in Europa organisiert ist, wie etwa der App Store hier personell vermarktet und begleitet wird. Wir erfahren auch einiges über die Denkweise der App-Store-Redaktion, die Empfehlungen ausspricht. Wenig überraschend verrät Tom auch, dass ARKit bislang bei den App-Umsätzen keine große Rolle spielt, obwohl das Marketing das Thema doch so sehr in den Fokus rückt.

Wir lernen, nach welchen Kriterien Tim Cook seine Besuche bei App-Entwicklern plant und dass Tom bislang der große Ermöglicher in Europa war. Also jener, der potenziell erfolgreiche App-Entwickler entdeckte, förderte und als Krönung der Zentrale in Cupertino als Besuchsziel für PR-Zwecke vorschlug. Was Apple sicher auch nicht schmeckt, sind Insights, wie App-Entwickler an die Hand genommen werden, mit welchen Medien es Kooperationen gab – dass Apple also am Ende wie ein ganz normales Unternehmen agiert. Nicht uneigennützig, sondern nach kapitalistischen Grundsätzen.

Für Apple ist so viel Offenheit schon ziemlich viel. Für jedes andere Unternehmen wäre das kaum der Rede wert. Wie brisant ist dieses Buch also? Kaum bis mittelmäßig brisant.

Was nicht darin steht

Interessant ist hingegen der kurze Zeitraum zwischen dem Verlassen Apples und der Veröffentlichung des Buches. Augenscheinlich fasste Sadowski im Laufe des Jahres 2019 den Beschluss, ein Buch zu schreiben, noch während seiner aktiven Zeit. Warum? Darauf gibt es keine überzeugende Antwort. Genauso wenig auf die Frage, warum er eigentlich Apple wirklich verlassen hat. Wir lesen von Lust auf etwas Neues, davon, dass er App-Entwicklern künftig mehr helfen will. Wobei schwer vorstellbar ist, wie er das außerhalb Apples besser bewerkstelligen will als aus Apple heraus.

Der Leser wird in dem Gefühl entlassen, dass ein Puzzleteil in diesem Spiel fehlt. Wie kann man zehn Jahre nach den geheimhaltenden Regeln Apples mitspielen und bricht sie dann plötzlich, angeblich ohne Groll und besonderen Anlass? Sadowski wirkt nicht wie jemand, dem das aus Versehen passiert ist.

Wer sich das Buch kaufen sollte

Zuallererst mal werden alle durch das Buch angesprochen, die sich Tom Sadowski persönlich verbunden fühlen. Selten habe ich in einem Boch so viele persönliche Grüße gelesen. Und die Fürsprecher, die der Verlag zitiert, scheinen auch alle Sadowski beruflich verbunden zu sein.

Jenseits seiner Filterblase zählt das Buch aber gewiss nicht zum Spannendsten, was wir jemals über Apple zu lesen bekommen haben. Wer sich für Insights interessiert – und seien sie noch so klein -, erfährt ein wenig mehr über das Innenleben Apples, speziell auf dem europäischen Kontinent, was in der US-Literatur oder in Blogs selten eine Rolle spielt.

Wer seine App perfekt vermarkten und entwickeln möchte, erfährt konzentriert das, was sich der Interessierte auch über diverse Quellen und Blogposts selbst zusammenreimen kann.

Es geht im Geschäftsleben, das lernen wir aus diesem Buch, viel um Selbstdarstellung. Tom Sadowski erzählt uns das, was wir eigentlich schon alle wissen, was aber in der Erzählung Apples über das Wunder des App Stores als Umsatzbringer und Jobmotor keine Rolle spielt. Vor allem lernen wir, warum es Apple so wichtig ist, dass die Philosophie und die Marke im Fokus stehen. Und nicht, wer Apple ein Gesicht gibt.

Tom Sadowski: App Store Confidential: : Ein persönlicher Blick hinter die Kulissen von Apples wichtigstem Business, 184 Seiten, Murmann Publishers, 18 Euro (E-Book: 11,99 Euro)

Das Buch war auch Thema in Folge 210 des Apfelfunks:

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Geschrieben von
Malte
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