Warum kaufen sich Menschen hochpreisige Lautsprecher von Bang & Olufsen, wenn auch Geräte im Kunststoffgehäuse für 100 Euro eine gute Akustik abliefern? Mit Blick auf die Preise, die Apple aufruft – aktuell speziell beim Studio Display -, gibt es meist einen ähnlichen Reflex. Einigen erscheinen sie geradezu unverschämt, andere kämpfen mit sich, bis sie eine Kaufentscheidung treffen.
Die Geschichte von dem Studio Display und mir beginnt auf ein ähnliche Weise. Ich sah die Präsentation Apples im Livestream. Ich nahm zur Kenntnis, dass die Zeiten eines All-in-one-Computers im 27-Zoll-Format, des großen iMacs, vorbei waren. Und mir wurde klar: Egal welchen Mac – ob ein MacBook Pro, einen Mac Mini oder gar ein Mac Studio – ich künftig einsetze, so würde ich einen externen Bildschirm benötigen.
Apple ist nach knapp einem Jahrzehnt der rein integrierten Bildschirme in den Markt der externen Geräte zurückgekehrt. 2011 verabschiedete sich Apple vom Cinema Display und fortan gab es zwar viele Rufe der Kunden, aber keine Antwort. Dann kam 2019 das Pro Display XDR und die Fachwelt rieb sich ungläubig die Augen: Der 6K-Bildschirm ist zweifellos einzigartig in seiner Ausstattung und genügte höchsten Ansprüchen. Mit einem Preis ab 5500 Euro war aber weit jenseits dessen, was sich ein Consumer-Kunde normalerweise erlauben würde.
Studio Display: Ein Name mit Tradition
Das Studio Display – übrigens ein Name, den Apple zwischen 1998 und 2004 schon einmal für eine Produktlinie einsetze – kommt den Bedürfnissen der „Normalsterblichen“ schon näher. Gleichwohl zuckte ich auch zusammen, als in der Präsentation der Preis aufgerufen wurde: Preise ab 1749 Euro – dafür bekamen wir vor einigen Jahren noch einen ganzen Computer.
Im Grunde ist das Studio Display allerdings auch ein Computer, wenngleich ohne den Mac. Der Bildschirm hat sogar ein eigenes Betriebssystem, das auf iOS basiert, aber bis auf die Grundfunktionen des Displays nicht weiter in Erscheinung tritt. Innen drin steckt der A13-Bionic-Chip. Die Displayeinheit selbst ist technisch im Wesentlichen eine nur leicht verbessere Version des 27-Zoll-Displays (68,29 cm Diagonale), das auch im 2020-er-Modell des großen iMacs steckte, etwa 59 cm breit und 35 cm hoch und mit 5K-Auflösung. Dank seiner Pixeldichte offenbart es auch bei naher Betrachtung für das menschliche Auge keine Bildpunkte – eine Technik, die auch acht Jahre nach dem ersten iMac mit 5K-Display nach wie vor beeindruckt. Weitere technische Daten sind 600 Nits Helligkeit, P3 Wide Color und True Tone – die Anpassung ans Umgebungslicht.
Eine spannende Frage, die uns noch keiner beantworten kann, ist die, warum Apple nicht bereits auf Mini-LED-Technik wie beim aktuellen iPad Pro gesetzt hat. Und wann kommt diese? Das könnte einen zögern lassen, wenngleich solche Detailfragen auch gerne einmal überbewertet werden. Auch HDR und 120 Hertz Bildfrequenz stehen bei einigen weiterhin auf der Wunschliste. Gemessen an den heutigen Möglichkeiten, erfüllt das Studio Display hohe, aber nicht die höchsten Ansprüche. Aber machen wir uns nichts vor: Mit all diesen Möglichkeiten wäre er wahrscheinlich auch noch teurer geworden.
Lautsprecher & Mikros: Starke Beigaben
Interessant ist für den Nutzer, was das Studio Display sonst noch kann: Da ist ein 6-Lautsprechersystem zu nennen, das sehr gut klingt und auch ordentlich Wumms (Bass) hat. Apple spricht von drei Mikrofonen in Studioqualität, die natürlich niemals mein Studiomikrofon (Shure SM7B) ersetzen können, aber für Videokonferenzen exzellent genug klingen, dass Freisprechen in Videokonferenzen möglich ist. Und es gibt vier USB-C-Anschlüsse auf der Rückseite, so dass der weggenommene Anschluss am Mac mehr als kompensiert wird. Mehr noch: Einer der Anschlüsse ist ein Thunderbolt-3-Anschluss, der ein MacBook mit bis zu 96 Watt laden kann. Im Rahmen steckt auch noch eine 12-Megapixel-Kamera, über die wir dringend sprechen müssen.
Das Studio Display gibt es mit drei Standfuß-Varianten: Dem neigungsverstellbaren Grundmodell für 1749 Euro, einem mit höhenverstellbaren Gelenk für 2209 Euro und mit VESA Mount Adapter für 1749 Euro, wobei hier unerklärlich bleibt, warum das Weglassen genauso viel Geld kostet wie das Grundmodell. Die Entscheidung gilt übrigens für die Lebenszeit des Studio Displays. Ein später Umbau ist nicht möglich. Für weitere 200 Euro Aufpreis gibt es den Bildschirm mit Nanotexturglas, das unempfindlicher gegen Lichtreflexionen ist.
Doch genügt all das, um sich die hohe Investition von je nach Ausstattung über 2000 Euro schön zu reden? Ich hatte das Studio Display mit Standardglas und neigungs- und höhenverstellbarem Standfuß (2209 Euro) mehrere Wochen lang im Test.
Ein Fest für den Ästheten
Warum man diesem Luxus doch erliegen kann, wurde gleich beim Auspacken deutlich: Apple hat einen raffiniert gefalteten Karton entwickelt, der das Display – eine Art überdimensionales iPad – und den mächtigen, von klaren Kurven und Kanten gekennzeichneten Metallstandfuß langsam preisgibt. Die stoffummantelten Kabel tragen ihr Übriges zum Look&Feel bei. Auch das Gelenk für die Höhenverstellung begeistert ab Minute 1 mit seiner butterweichen Bewegung. Es ist ein Fest für den Ästheten: Man kann sich rational noch so sehr dagegen sträuben, dass Apple hier im wesentlichen bekannte und teils früher schon verkaufte Technik verbaut, doch die Liebe zum Detail und der Eindruck machen vieles wett. Es fühlt sich einfach gut an.
Der Monitor, der keinen Einschaltknopf hat, ist schnell installiert: Aufstellen, das mitgelieferte 1 Meter lange Thunderbolt-Kabel anschließen, schon ist er bereit. Das Stromkabel ist fest verbaut, was einigen ebenso wie die Länge des Anschlusskabels nicht zusagt. Das eingebaute Stromkabel hat im Reparaturfall zur Folge, dass ein Kabelschaden genügt, damit das ganze Display eingeschickt werden muss. Und die Länge des Thunderbolt-Kabels bedingt, dass der zugehörige Computer nicht all zu weit weg stehen darf. Da ich beim iMac niemals das Kabel nach dem Aufstellen angerührt habe oder Schäden daran hatte, ist mir das egal. Wer schon einen 5K-iMac besaß, findet hier die gewohnte starke Displayqualität vor – aber eben auch nicht mehr. Für jene, die vorher nur einen 4K-Bildschirm oder gar ein Display mit weniger Auflösung besessen haben, ist der Sprung zu 5K deutlich größer. Wer seinen All-in-One-Computer von Apple ersetzt, der muss zumindest nicht Qualität einbüßen. Und durch die schlankeren Formen und den Verzicht auf das iMac-Kinn, ist das Display zumindest äußerlich auch eine Verbesserung für frühere iMac-Besitzer.
Höhenverstellbarkeit: Das 1.-Klasse-Ticket
Die Höhenverstellbarkeit, die mit einem ordentlichen Aufpreis einhergeht, ist ein Feature, das man nicht so leicht abtun sollte bei der Bestellung. Gerade für Bildschirmarbeiter im Homeoffice ist es wie das 1.-Klasse-Ticket für den Zug. Ja, es lässt sich natürlich auch 2. Klasse vortrefflich reisen. Aber mein Rücken wird es mir auf Strecke danken, die Höhenverstellbarkeit zu haben, die im Vergleich zum Podcast mit einer gewissen Flexibilität daherkommt. Trotzdem ist der Aufpreis enorm, gemessen an der Mehrleistung, die einem geboten wird.
Was mich im Test neben der Ästhetik am meisten begeistert hat, aber vielleicht auch meiner Setup-Situation im Speziellen geschuldet ist, ist, wie viel das Studio Display in sich vereint. Ich brauche keine zusätzliche Steckdose für das Netzteil meines MacBook Pros, sondern schließe es einfach ans Display an. Überhaupt kann ich das Netzteil für Reisen in der Tasche lassen und muss es nicht jeweils hinter meinem Schreibtisch auf- und abbauen. Zusätzliche, den Schreibtisch verstopfende Lautsprecher, kann ich mir ebenfalls sparen, denn die eingebauten im Display sind exzellent. Und ein USB-C-Hub steckt auch drin. Das Studio Display ist im Nebenjob auch eine Docking Station.
Ja, sogar eine Webcam bringt es mit. Diese hat in den Reviews fast die meiste Aufmerksamkeit bekommen, obwohl sie das unspektakulärste Bauteil ist. Aber genau das regt auf: Wie kann Apple eine Kamera einbauen, die nicht höchsten Ansprüchen genügt? Das mit 12 Megapixel aufgelöste Bild der Webcam ist gut genug für Zoom- oder FaceTime-Konferenzen. Aber es ist in keiner Weise sonderlich beeindruckend. Selbst in guten Lichtsituationen gibt es ein leichtes Rauschen, das Ergebnis wirkt zweidimensional und die Farben sind blass. Und Center-Stage, die virtuelle Kamera, die einem folgt, ist zwar nützlich, zentriert einen aber nach wie vor so merkwürdig im Bild, dass viel zu viel Luft über einem ist. Hier wäre eine Einstellfunktion hilfreich. Aber die Webcam ist dezent: Sie tritt nur durch den grünen Punkt im Displayrahmen in Erscheinung, der bei Aktivierung leuchtet. Sie wird vielen genügen, aber sie empört in diesem Setting der Extravaganz durch ihre Banalität. Ihre Normalität ist geradezu verstörend.
Wer ein Setup zuhause hat, wo verschiedene Computer angeschlossen werden sollen – etwa ein berufliches und ein privates Gerät wie in meinem Fall – findet keinen Umschalter in dem Gerät vor. Ich empfand dies erst als Nachteil, weil mein 4K-Display von Samsung, das ich als Zweitmonitor besitze, per Schalter sogar zwischen drei Quellen switchen kann. Das allerdings in punkto Schnelligkeit und Usability mehr schlecht als recht. So bleibt einem das Kabeleinstecken hinter den Geräten zwar erspart. Doch das Verbinden mit dem Thunderbolt-Kabel des Studio Displays führt zeitlich zu schnelleren Ergebnissen. Deshalb bin ich am Ende unentschieden, was besser und was schlechter ist.
Fazit: Kaufen oder nicht kaufen?
Am Ende eines jeden Produkttests ist für mich immer das Bauchgefühl ein wichtiger Indikator für meine anschließende Bewertung. Gebe ich das Gerät gerne zurück? Oder wird es mir fehlen? Im Falle des Studio Displays sind meine Gedanken, es bei einem günstigeren 4K-Display zu belassen, stark ins Wanken geraten. Der Preis ist mir gefühlt immer noch zu hoch, auch wenn in der 5K-Liga keine wirklich preisgünstigeren Alternativen zu finden sind. Der Punkt, der mich überlegen lässt, das Studio Display zu kaufen, ist rein von Komfortwünschen geprägt: Ich verbringe einen Großteil der Woche vor diesem Bildschirm – warum gönne ich mir nicht die bestaussehende und praktische Variante? Warum kaufen sich Menschen Lautsprecher von Bang & Olufsen? Weil sie es können. Und weil sie es mögen. Schönheit hat ihren Preis.